Das Apparatehaus
Am Alten Gaswerk 12
Alte Bezeichnung auch: Apparate- Uhren- und Regleranlage
Erbaut 1913 bis 1915 aus Stahlbeton. Im Apparatehaus wurde das Gas gereinigt und zu den Verbrauchern geleitet bzw. in den Gasbehältern zwischengespeichert. Das vom Kühlerhaus kommende Rohgas wurde im Teerscheider von Teer und im Naphtalinwäscher von Naphtalin gereinigt, im Nachkühler wurde es noch einmal abgekühlt und im Ammoniakwäscher von Ammoniak befreit.
Im Anschluss wurde das Gas in das Reinigergebäude geleitet, um den Schwefel zu entfernen.
Das nun so gereinigte Gas wurde wieder in das Apparatehaus zurückgeleitet und dort über
die Gasuhren (Gaszähler) und die Gasdruckregler in das Gasnetz gedrückt.
Das Apparatehaus war eines der "gefährlichsten" Gebäude des Gaswerks, da
durch die vielen verschraubten Rohre, Schieber und Maschinen ein Gasaustritt am ehesten vorkommen
konnte.
Deshalb wurde das Gebäude so stabil gebaut, das es bei einer Explosion nicht komplett
zerstört werden würde. Lediglich das ganze Dach mit der leichten Decke sowie die
großen Fenster sollten bei einer Explosion der Druckwelle nachgeben.
Die auffälligen Dachgauben sorgten für einen Luftaustausch unter dem Dach, damit
eventuell austretendes Gas sofort ins Freie entweichen konnte. Dafür sind in der Innendecke
extra Lüftungsöffnungen eingebaut worden.
Am "Stadtdruckregler" wurde die Druckwelle erzeugt, um die gasbetriebene Straßenbeleuchtung der Stadt durch "Fernzündung" ein- und wieder auszuschalten.
Der Begriff "Uhren" kommt übrigens von den Gasuhren (die heutige Bezeichnung ist Gaszähler), die früher den Gasverbrauch mit Zeigern wie eine Uhr angezeigt haben.
Dieses Gebäude ist oval gebaut und hat eine Grundfläche von etwa 600 qm.
Das Gebäude "steht" auf seinen Außenpfeilern, hat innen also keine Stützpfeiler und hat viele große Arkadenfenster.
Von der Ostseite hat man einen guten Blick auf die drei Gasbehälter und ihren Inhaltsanzeiger, was auch damals "wichtig" war, da ja von hier aus die Behälter gefüllt und geleert wurden.
Die Decke
Das Apparatehaus während des Baus, hier sieht man sehr schön die Eisenträger
von der Decke, die noch heute mit Rabitz verkleidet ist.
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Die Decke ist aus Rabitz (siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Rabitz), welche zum Wärme- und Brandschutz eingebaut wurde und im Falle einer Explosion durch das geringe Gewicht leicht zerstört wird.
Somit diente das Dach und die großen Fenster als "Sollbruchstelle" bei einer evtl. Explosion, um den Explosionsdruck im Innneren so gering wie möglich zu halten und so das Gebäude vor einem Einsturz zu bewahren.
In der Decke befinden sich drei Öffnungen, die evtl. ausströmendes Gas in den Dachboden geleitet haben, das dort durch die Lüftungsfenster im Dach (jede Seite 5 Fenster) wie bei einen Art Kamin nach außen abgesaugt hat.
Der Fußboden
Damit sich evtl. austretendes Gas im Keller nicht unter der Kellerdecke sammeln konnte, war der Fußboden an vielen Stellen aus Holzdielen mit Lüftungsabständen, so das Gas vom Keller nach oben über die Dachlüftung entweichen konnte.
Der Holzfußboden konnte auch bei Bedarf geöffnet werden um z.B. große Rohre in den Keller hinunterzubringen.
Weiterer Vorteil war bei Holz, das herunterfliegendes Werkzeug auf Holz keine Funken schlagen kann und es auch keine statischen Aufladungen gibt.
Die Apparate
Die verschiedenen Apparate im Apparatehaus, vorne sieht man auch den hölzernen Fußboden
sehr schön.
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Im Erdgeschoß sieht man "nur" die Verdichtermaschinen, Zähler, Umfüllgebläse und die Steuerräder der Schieber die man irgendwie bedienen musste. Es sieht hier richtig leer und aufgeräumt aus.
Wenn man dagegen in den Keller kommt, findet man dort die großen Gasrohre (das größte mit 1 m Durchmesser) mit den Schiebern und verschiedene Zusatzeinrichtungen wie z.B. für die Verdichter usw. Der Raum hier ist nicht so leer, wie es von oben scheint, im Gegenteil, man muß sogar öfters über verschiedene Rohrleitungen steigen, um "voranzukommen".
In dem Gebäude wurde übrigens früher am Stadtdruckregler auch die Druckwelle erzeugt, womit die Gasbeleuchtung "ferngesteuert" ein- bzw. ausgeschalten wurde. (Der Gasdruck wurde in der Leitung kurzzeitig erhöht)
Folgende Apparate waren um 1915 im Gebäude
Gassauger
Vom Kühlergeäude wurde das dort gekühlte Rohgas mit den Gassaugern angesaugt und weiter durch die Apparate bis zum Gasbehälter und ins Rohrnetz gedrückt.
Früher dienten zwei Dampfmaschinen als Gassauger, da diese als sehr zuverlässig galten und auch bei einem Stromausfall noch arbeiten.
Das Loch vom Kamin der Dampfmaschinen sieht man übrigens heute noch in der Decke.
© und Bildquelle: Oliver Frühschütz Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
das Original Bild nachcoloriert von Stefan Zaum © Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Hersteller: BAMAG Berlin
dreiflügelige Gassauger mti einer Tagesleistung von je 60.000 m³ pro Gassauger
70 U/min, mit "Han'scher" Regler ausgestattet.
Weitere Daten sind leider nicht bekannt.
Hier als Beispiel ein Bild von einem Gassauger vom Gaswerk Neustadt (Dosse)
© Oliver Frühschütz mit freundlicher Genehmigung vom "Förderverein zur Erhaltung des Gaswerkes in Neustadt(Dosse) e.V."
Teerscheider
Aus 100 kg entgaster Steinkohle (für ca. 50 m³ Gas) konnte man etwa 5 kg Teer entnehmen, das sonst die Leitungen verstopft hätte.
Teer wurde für Dachpappen, Straßenteer, Klebemasse, Schädlingsbekämpfung (Obstbaumspritzmittel), Imprägmiermittel, Leichtöl, Mittelöl und Schweröl usw. verwendet
Auf dem oberen Bild (Gassauger) etwa in Bildmitte der Teerscheider in Augsburg (mit der Umlenkrolle)
System Pelouze
Tagesleistung: 50.000 m³
Hier als Beispiel ein Bild von einem Teerscheider vom Gaswerk Neustadt (Dosse)
© Oliver Frühschütz mit freundlicher Genehmigung vom "Förderverein zur Erhaltung des Gaswerkes in Neustadt(Dosse) e.V."
Naphtalinwäscher
Aus 100 kg entgaster Steinkohle (für ca. 50 m³ Gas) konnte man etwa 300 g Naphtalin entnehmen.
Naphtalin wurde z.B. für die Herstellung von Mottenkugeln verwendet.
In dem Horizontalwascher mit drei Flüssigkeitsabteilungen wurde mithilfe von Anthracenöl oder Teeröl das Naphtalin herasugewaschen.
Ammoniakwäscher
Aus 100 kg entgaster Steinkohle (für ca. 50 m³ Gas) konnte man etwa 10 kg Ammoniakwasser entnehmen.
Ammoniak wurde z.B. zum Düngen der Felder von den Bauern abgeholt oder als Kältemittel eingesetzt.
Haarfärbemittel werden heute damit beworben, das sie kein Ammoniak mehr enthalten.
Der Ammoniakwäscher arbeitet ähnlich dem Naphtalinwäscher und hatte 5 Einzelkammern.
Das Gas wurde mit Wasser vom Ammoniak gereinigt.
Hier als Beispiel ein Bild von einem Ammoniakwäscher vom Gaswerk Neustadt (Dosse)
© Oliver Frühschütz mit freundlicher Genehmigung vom "Förderverein zur Erhaltung des Gaswerkes in Neustadt(Dosse) e.V."
Benzolwäscher
Aus 100 kg entgaster Steinkohle (für ca. 50 m³ Gas) konnte man etwa 500 g Benzol entnehmen.
Benzol wurde z.B. zu Benzin oder Sprengstoff weiterverarbeitet und deshalb herausgewaschen.
Der Benzolwäscher wurde erst etwas später eingebaut, war also 1915 noch nicht vorhanden.
leider kein Bild vorhanden
Sie wurden früher auch Gasuhren oder Gasmesser genannt.
Hier wurden die Gasmengen gezählt, die z.B. in die Gasbehälter geleitet wurden, aus den Gasbehältern wieder herausgeholt wurden und an die Stadt abgegeben wurde.
Anhand der abgegebenen Gasmenge und der verbrauchten Kohle konnte man die "Wirtschaftlichkeit" der Gasöfen ermitteln.
Bevor das Gas unser Werksgelände verlassen durfte, musste es erst noch durch die Gaszähler. Da es mehrere Leitungen gibt, die verschiedene Druckstufen haben (Hochdruck, Mitteldruck und Niederdruck), musste natürlich für jede Leitung ein eigener Zähler vorhanden sein.
Der älteste Zähler, der noch am Original Standort steht, ist aus dem Jahre 1939
Daten dieses Drehkolben-Gasmesser (oder Kammer-Gasmesser):
-
Hersteller Julius Pintsch K.G. Berlin
-
F.Nr. 2056
-
Baujahr 1939
-
Gattung: 131
-
Bauart: 5
-
Größe: J=317,15 l
-
Qe = 5500 m³/h
-
mit Mengenumwerter
-
zuletzt als Zähler für Luft in Betrieb (daher sind die Rohre nicht gelb, sondern blau)
Der älteste Gasmesser, der noch Original vom Gaswerk im Apparatehaus existiert
© und Bildquelle: Oliver Frühschütz
Auf den nächsten Bild sieht man auf dem oderen Podest drei alte Gasuhren, weiter unten die heute noch vorhandenen Gaszähler
Stadtdruckregler
Der Regler hatte die Aufgabe, den Druck im Leitungsnetz zur Stadt immer konstant zu halten, egal, wieviel Gas gerade aus der Leitung entnommen wurde.
Zur Stadtgaszeit war der Druck noch niedriger als heute und wurde nicht in bar bzw. mbar gemessen sondern in mmWS (Millimeter Wassersäule) 100 mmWS entsprechen heute etwa 10 mbar.
Bunte Rohre
Die Rohre haben alle verschiedene Farben, dies hatte natürlich auch einen Grund.
Damit die Mitarbeiter sofort wissen, welches Medium in diesem Rohr ist und wie "gefährlich" es ist galten folgenden Farben
Gelb = Gas
Blau = Luft
Grün = (Kühl) Wasser
Braun = (Schmier) Öl
Silber = Dampf (z.B. Heizung)
Schwefelreiniger
Der Schwefelreiniger war nicht im Apparatehaus, sondern in einem eigenen Gebäude, dem sogenannten Reiniger.
Siehe: Reiniger
Im Keller des Apparatehauses fand sich das "sichere" Versteck für die Kameraausrüstung, die auch im Roman "Tag null - Tag eins" von Hans Prölss unter http://ds1.dreifels.ch/pinoy/page.asp?DH=81 unter Kapitel 6 Seite 76 erwähnt wird. Mit diese Kamera wurden übrigens viele Bilder vom Gaswerk bis 1945 gemacht, die heute noch erhalten sind!
Erbaut etwa 1915, steht heute noch!
Das Apparatehaus von innen (vermutlich etwa 1919), oben links die Gaszähler
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Das Apparatehaus innen (vor 1945)
© und Bildquelle: Fam. Schnyder (Schweiz)
Das Apparatehaus innen (vor 1945)
© und Bildquelle: Fam. Schnyder (Schweiz)
Das Apparatehaus von aussen
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Das Apparatehaus von der Seite
Ansicht von Nordosten
© und Bildquelle: Oliver Frühschütz
Das Apparatehaus, dahinter (oben) das Kühlerhaus
© und Bildquelle: Oliver Frühschütz
Hinweis: Die Bilder wechseln durch, also etwas warten!
Rundumblick im Apparatehaus Standort Westen (nicht live)
© und Bearbeitung: Markus Arnold, Bildquelle Oliver Frühschütz 2008
Hinweis: Die Bilder wechseln durch, also etwas warten!
Rundumblick im Apparatehaus Standort Osten (nicht live)
© und Bearbeitung: Markus Arnold, Bildquelle Oliver Frühschütz 2008
Hinweis: Die Bilder wechseln durch, also etwas warten!
Rundumblick im Apparatehaus Keller (nicht live)
© und Bearbeitung: Markus Arnold, Bildquelle Oliver Frühschütz 2008
Später wurden die Reinigungsapparate nicht mehr benötigt und ausgebaut, dafür baute man dann die heute noch vorhandenen Verdichter und Umfüllgebläse ein.
Die Verdichter
Sie wurden benötigt, um das gespeicherte Gas von den Gasbehältern wieder in die Versorgungsleitungen abzugeben. Da der Druck in der Mitteldruckleitung höher war, als in den Gasbehältern (ausgenommen davon der Hochdruckspeicher) musste deswegen das gespeicherte Gas verdichtet werden.
Mit den Hochdruckverdichtern konnte man dann sogar den Druck nochmals so erhöhen, das man in die Hochdruckleitung einspeisen konnte. Dazu mussten aber erst mit den Mitteldruckverdichtern den Gasbehälterdruck auf das Niveau der Mitteldruckleitung anheben, um diesen dann mit den Hochdruckverdichtern weiter zu erhöhen.
Niederdruckverdichter 1 bis 4
Rotationsverdichter KSB Typ RNG 20
Gasmenge pro Stunde: 2000 m³ je Verdichter
Niederdruckverdichter 5 und 6:
Schraubenverdichter Gutehoffnungshütte Typ SK 16
Gasmenge pro Stunde: 6000 m³ je Verdichter
Niederdruckverdichter 7 und 8:
Rotationsverdichter KSB Typ RN 7
Gasmenge pro Stunde: 500 m³ je Verdichter
Die Mitteldruckverdichter
Erste zwei Reihen Verdichter 1-4 , dritte und vierte Reihe Verdichter 5-6, links (nicht im
Bild) Verdichter 7-8
© und Bildquelle: Otto Prem
Hochdruckverdichter 1 bis 3
Gasmenge pro Stunde: 4000 m³ je Verdichter
Die Hochdruckverdichter
An der Westseite im Apparatehaus
© und Bildquelle: Otto Prem
Die Umfüllgebläse
Mit den Gebläsen konnte man von einem Gasbehälter auf einen anderen Behälter
das Gas umfüllen.
Umfüllgebläse 1 und 2:
Gasmenge pro Stunde: 2000 m³
Umfüllgebläse 3 (im Keller):
Gasmenge pro Stunde: 10.000 m³
Die Umfüllgebläse 1 und 2 dahinter (rechts) die Gaszähler
An der Ostseite im Apparatehaus
© und Bildquelle: Otto Prem