Das Gaswerk in Augsburg Oberhausen

Das Gaswerk in Augsburg Oberhausen

Ofenhaus

Adresse: Am Alten Gaswerk 8

Das Ofenhaus wurde in den Jahren 1913 bis 1915 in einer Stahlbeton-Rahmenkonstruktion mit Tonnendach erbaut.

Rechts der Wasserturm mit der Uhr, darunter der Eingang zum Sozialgebäude, links das Ofenhaus (mit Rauch) dahinter das Kohlensilo und ganz links am Rand das Koksseperationsgebäude (Förderband). Aufnahme vermutlich von 1915. Ansicht von Südost
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.

Die Südfassade des Gebäudes mit den fünf Zirbelnüssen (Augsburger Wappensymbol) und dezentem Fassadenschmuck im Jugendstil zitiert in der Architektur-Gliederung der Fensterformate das berühmte historische Rathaus in der Augsburger Innenstadt, erbaut von Elias Holl.

Den Namen hat das Ofenhaus von den ursprünglich vier Öfen im Innenraum mit je zwanzig sogenannten Retorten, gemauerte Röhren, in denen die Steinkohle unter Luftabschluss bei etwa 1.200 Grad entgast wurde. In den Retorten konnten 1915 täglich aus 100 Tonnen Steinkohle etwa 35.000 m³ Stadtgas und etwa 70 Tonnen Koks hergestellt werden.

Die Kohle wurde mit der werkseigenen Dampfspeicher-Lok vom Güterbahnhof Augsburg bis zum Gaswerk transportiert und dort im Kohlensilo eingelagert, das ehemals westlich vom Ofenhaus stand. Eine elektrische Hängebahn transportierte die Kohle direkt vom Kohlensilo in das Ofenhaus. Dort wurde die Kohle von oben in die Retorten gefüllt. Innerhalb von etwa zwölf Stunden entwich aus der Kohle dabei das sogenannte Rohgas und die Kohle verwandelte sich zu Koks.

Das dabei entstandene heiße Gas wurde abgesaugt und in den anderen Gebäuden weiterverarbeitet. In der Löschanlage, ehemals südlich vor dem Ofenhaus gelegen, wurde der brennende Koks mit Wasser gelöscht und damit blitzartig abgekühlt, so dass er nicht weiter verbrannte. Die Löschung erfolgte nicht mit Trinkwasser, sondern mit Brauchwasser aus den werkseigenen Brunnen, das im Behälterturm gespeichert wurde. Die bei diesem Prozess entstandenen Dampfwolken der Stadtgasproduktion waren von 1915 bis 1968 in der Umgebung des Gaswerks weithin zu sehen.

Beim Arbeiten war es im Gebäude teilweise so heiß, das die Arbeiter Holzschuhe angezogen haben. Zur Kühlung haben sie die Schuhe in einen Eimer mit Wasser getaucht und dann die nassen Holzschuhe wieder angezogen.

Hier wurden im zweiten Weltkrieg 15 Tonnen Aktien-papiere zwei Tage lang verbrannt und damit Gas erzeugt. Da das Aktienpaket einen Wert von etwa 8 Milliarden gehabt hatte, wurde vermutlich das teuerste Gas der Welt in diesem Gebäude erzeugt.
Siehe dazu Roman „Tag null – Tag eins“ von Hans Prölss unter http://ds1.dreifels.ch/pinoy/page.asp?DH=81 unter Kapitel 4 Seite 54

Bis in das Jahr 1951 war das Ofenhaus in der beschriebenen Funktion im Betrieb, danach wurde das Stadtgas in einem separaten, im Freien stehenden Horizontalkammer-Ofen mit 40 Ofenkammern erzeugt. Von 1956 bis 1968 waren im Ofenhaus Generatoren eingebaut, die aus dem Koks das Generatorengas für die Unterfeuerung des Horizontalkammer-Ofen erzeugten.

Eine genaue Beschreibung, wie aus der Kohlen in den Öfen das Gas erzeugt wurde findet man unter http://de.wikipedia.org/wiki/Kokerei

Nach dem Abbau dieser Generatorenanlage in den Jahren 1969/70 lagerte das Stadttheater bis 2007 im leeren Ofenhaus seine Bühnenkulissen und bewahrte damit das Ofenhaus vor dem Abriss. 2018 wurde das Ofenhaus komplett saniert und 2019 mit der Brechtbühne als Interimsspielstätte für das Staatstheater und dem Restaurant „Ofenhaus“ eröffnet.

Heute zeugt nur noch der ehemalige Aufzugskorb von der technischen Vergangenheit des Ofenhauses, er dient heute dort als ungewöhnlicher Eingangsbereich zum Restaurant. Die Nordwand im Restaurant wurde ebenso nahezu Original erhalten.

Ebenso wurde an der Nordseite ein Neubau angebaut, darin befinden sich Werkstätten und Büros vom Staatstheater und im 3. Stock sind Künstlerinnen und Künstler eingezogen. 2020 wurde die Sanierung des Ofenhauses mit dem German Design Award 2020 mit der Auszeichnung „Winner“ in der Kategorie „Excellent Architecture“ ausgezeichnet, ebenso wurde die Sanierung mit dem Denkmalpreis des Bezirkes Schwaben ausgezeichnet.

Die Öfen

  • 1915 wurden 4 Retorten-Öfen zu je 20 Retorten, Bauart Pintsch-Bolz (Vertikalöfen) in Betrieb genommen (später 7 Retorten-Öfen zu je ca. 7000 m³ täglich).
  • 1931 Aufbau der neuen „DOG“ Öfen durch die Deutsche Ofenbaugesellschaft Leipzig. 2 Vertikalkammeröfen mit 10 und 4 Kammern von je 1,9 t Ladegewicht (Naßbetrieb)
  • 1938 Abbruch des östlichen Ofenblockes („Pintsch“ Öfen).
  • 1939 Inbetriebnahme der Vertikalkammer-Öfen (Firma Klönne; 4 Öfen mit je 7 Kammern zu 3,3 t, Leistung 75.000 m³), Abriss von 5 Kaminen.
  • 1944 Ofen 5 (Firma Klönne; mit 4 Kammern) in Betrieb (Baubeginn 1942). 2 Kammern des Ofens wurden für Holzkohlen-Erzeugung eingerichtet.
  • 1945 Einstellung des Ofenbetriebes (wegen des Krieges) vom 3. bis 11. März, 19. und 21. Mai, 30. Mai bis 3. Juni, 7.bis 28. August.
  • 1946 Erneuerung der Ofenaufmauerung an Öfen 1 und 2.
  • 1947 Erneuerung der Mauerung an Öfen 3 und 4 und an den Flammrohrkesseln.
  • 1948 Erneuerung der Mauerung an Ofen 5.
  • 1954 Die (Klönne) Ofenanlage kam außer Betrieb. Der neue Ofen (Firma Still) war bereits seit 1951 in Betrieb und wurde erweitert. Dadurch wurde die „alte“ Ofenanlage nicht mehr benötigt.
  • 1956 Es erfolgte der Abbruch der (Klönne) Öfen und der Abriss der letzten 5 Kaminen.

Anschließend befanden sich darin bis etwa 1969 die Generatoren für das „Generatorengas“, die aus dem Koks das sogenannte Generatorengas für die Unterfeuerung des Horizontalkammer-Ofen erzeugten.

Leistung der Öfen von 1915 aus dem „Bericht über die Leistungsversuche an der Vertikalofenanlage System Pintsch-Bolz in Augsburg-Oberhausen“ vom 19. April 1916:

Pro Ofen (also mit 20 gefüllten Retoren) konnten 1915 pro Füllung bei 1200 Grad Temperatur nach etwa 12 Stunden aus 12000 kg Steinkohle etwa 4.350 m³ Stadtgas und etwa 8400 kg Koks hergestellt werden. Zur Unterfeuerung (also Erhitzen des Ofens) benötigte man etwa 1500 Kg Koks.

Umgerechnet entspricht das pro 100 kg Steinkohle etwa 36 m² Stadtgas und 70 kg Koks, davon benötigt man 12 kg für die Unterfeuerung.

Mit allen 4 Öfen konnten 1915 täglich aus 100 Tonnen Steinkohle etwa 35.000 m³ Stadtgas und etwa 70 Tonnen Koks hergestellt werden.

Hinweis: Alle Werte sind abhängig von der Qualität der Steinkohle, der Temperatur und der Zeit.

Ofenhaus, Löschanlage und Koksseparation (von links nach rechts). Ansicht von Südwest
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Dachboden Ansicht von Norden, heute Ballettsaal des Staatstheaters
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Behälterturm, Elektrozentrale, Ofenhaus, Kohlensilo und Werkstätte. Ansicht von Osten
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Ofenhaus (Rückseite), Verbindungssteg für elektrische Hängebahn und Kohlensilo mit Waggonkipper. Ansicht von Nordosten
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Koksseparation, Löschanlage, Ofenhaus, Behälterturm mit Sozialgebäude Ansicht von Südosten
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Ansicht von Südwesten
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Bau der vier Öfen mit je 20 Retorten im Ofenhaus 1915
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Bau der vier Öfen mit je 20 Retorten im Ofenhaus 1915
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Seitenansicht der Öfen 1915
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Oben Links am Dach sieht man noch, wo früher der Verbindungssteg zum Kohlensilo war.
Ansicht von Südwesten
© und Bildquelle: Oliver Frühschütz
Das Ofenhaus heute (mittig an den vier ovalen Fenstern 5 Zirbelnüsse). Ansicht von Süden
© und Bildquelle: Oliver Frühschütz
mit dem Durchgang zum Behälterturm. Ansicht von Südosten
© und Bildquelle: Oliver Frühschütz
Kohlenbunker innen über den Öfen (Dachboden) mit Hängebahn
© und Bildquelle: Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Alte Aufzugsschacht vor dem Abriss. Die Kabine wurde erhalten und dient heute als dekorativer Eingang zum Restaurant
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Das leere Ofenhaus mit dem Aufzugsschacht an der Südseite.
© und Bildquelle: Archiv Gaswerksfreunde Augsburg e.V.
Ansicht links ca. 1918, rechts 100 Jahre später 2018
© Gaswerksfreunde Augsburg e.V. 2018
Ansicht links ca. 1918, rechts 100 Jahre später 2018
© Gaswerksfreunde Augsburg e.V. 2018
Ansicht Ostseite. links ca. 1958, rechts 50 Jahre später 2018
© Gaswerksfreunde Augsburg e.V. 2018
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